Mit Cardio- oder Krafttraining zum Wunschgewicht? Teil 1
Als Personal Trainer fällt es mir natürlich nicht schwer eine Top Ten Liste der meist gestellten Fragen zusammenzutragen, die eine nähere Betrachtung und ausführliche Beantwortung verdient hätten. Einen gesicherten, oberen Listenplatz behauptet die Frage nach den Vorzügen von Cardio- und Krafttraining im Rahmen einer kalorienreduzierten Ernährung. Welche Trainingsform für einen Abnehmprozess geeigneter erscheint - darauf will dieses Blog einige Antworten geben. Zunächst möchte ich Dir jedoch kurz das Bild zweier ganz unterschiedlicher Sportler skizzieren, das sozusagen als Roter Faden meiner Erläuterungen dient. Auf der einen Seite ein Marathonläufer, der zwei bis drei Wettkämpfe jährlich absolviert - auf der anderen Seite der Weltklasse-Sprinter Usain Bolt. Die auffälligen körperlichen Unterschiede werden im weiteren die Unterschiede zwischen Cardio - und Kraftsport illustrieren.
ABNEHMEN
Meistens wird die Waage wohl als Freund oder Feind betrachtet. Zeigt sie einen Wert, der jenseits des Erhofften liegt? Tja, dann ist es an der Zeit, einige Pfunde zu verlieren.
Vergegenwärtigen wir uns kurz der Goldenen Regel des Abnehmens:
- Um abzunehmen, solltest Du mehr Energie verbrauchen als Du täglich aufnimmst.
Du kannst natürlich in den Hungerstreik treten und die Nahrungsmenge (inklusive der enthaltenen Nährwerte) drastisch reduzieren. Dadurch wirst Du fast von alleine Gewicht verlieren, allerdings nur für kurze Zeit und auf ungesunde Weise. Jeder kennt den sogenannten Jojo-Effekt - kehrst Du nach einer gewissen Zeit zu einer 'normalen' Ernährungsweise oder Deinem normalen Essverhalten zurück, schnellt das Gewicht wieder in die Höhe und nicht selten bis auf ein neues Rekord-Niveau.
Cardio- vs. Krafttraining
Es gibt glücklicherweise noch eine weitere Möglichkeit zur Unterstützung einer Diät. Du musst den Energieumsatz kräftig erhöhen und z.B. durch Bewegung mehr Fett verbrennen! Aber welche sportlichen Aktivitäten versprechen den größten Erfolg?
CARDIO (oder auch Kardio)
Um an das obern Erwähnte anzuknüpfen, Du hast die optische Vorstellung eines Marathonläufers - was kennzeichnet seinen Körperbau? Ausdauersportler sind meist von schlanker Statur mit wenig ausgeprägten Muskeln, die über einen langen Zeitraum mit Energie versorgt werden müssen und durch die geringe Ausprägung auch mit Energie versorgt werden können. Cardio-Erfahrene sind beinahe ständig auf der Suche nach dem richtigen Rhythmus, dem Flow. Im Studio kannst Du die Aktiven auf den Crosstrainern und Laufbändern beobachten, wie sie eine bestimmte Herzfrequenz zu erreichen suchen, um diesen Flow zu finden (oder auch den Steady State). Ziel ist es, das richtige Trainingsniveau zu finden, das über einen langen Zeitraum gehalten werden kann und das stetig Energie (Kalorien) verbraucht. Der erwähnte Steady State wird häufig nach etwa 30 Minuten erreicht, danach werden auf effektive Weise Kalorien verbrannt. Es darf also geschlussfolgert werden, dass ausgedehnte Cardio-Einheiten den Kalorienumsatz deutlich erhöhen.
Dieser Effekt ist aber leider nur die halbe Wahrheit. Als eher nachteilig erweist sich die Art des Zugriffs auf vorhandene Energiespeicher. Der Körper greift zunächst auf die Kohlenhydratspeicher und erst nach 30 Minuten auf die körpereigenen Fette zurück. In der Praxis werden auch Muskelgewebe und wichtige Proteinbausteine zur Energiegewinnung herangezogen. In der Konsequenz verlierst Du somit Muskelmasse. Der Steady State sorgt dafür, dass Dein körpereigener "Brennofen" nur auf mittlerer Betriebstemperatur heizt. Beendest Du Dein Cardiotraining, dann endet damit gleichzeitig der Verbrennungsprozess der Extra-Kalorien. So erklärt sich auch die charakteristische Optik des Langstreckenläufers, der zwar genügend Energie verbraucht, aber auch fortwährend Muskelmasse angreift.
INTERVALL- und HIIT-TRAINING
Visualisieren wir kurz den Ausnahme-Sprinter Usain Bolt, dessen Körperbau eher an eine Maschine denken lässt. Fit und stark. Seine Muskeln zeigen sich deutlich voluminöser und gleichzeitig scheint sein Körperfettanteil geringer als bei einem Marathonläufer. Wie geht das zusammen? Bolt trainiert, indem er wechselweise Intervalltraining und pure Krafteinheiten absolviert. Beim sogenannten Intervalltraing (auch als HIIT bezeichnet) folgen auf Sequenzen im hohen Pulsbereich Ruhephasen in ständigem Wechsel. Der Körper erhält auf diese Weise sozusagen den Boost, noch härter zu arbeiten. In der Folge wird binnen kürzester Zeit enorm viel Fett verbrannt, mehr als bei klassischen Cardioeinheiten. Weiterer Effekt - der Brennofen wird tüchtig angeheizt bis auf maximale Betriebstemperatur. HIIT ist die intensivste Form des Intervalltrainings. Nach einer kurzen HIIT Sitzung profitiert der Körper noch bis zu 12 Stunden danach vom Nachbrenneffekt. Du verbrauchst noch beim Nichtstun wertvolle Energie!
KRAFT
Natürlich integriert Usain Bolt auch reine Maximal-Kraftübungen in sein Trainingsprogramm. Ziel ist dabei, bei gleichmäßig hoher Fettverbrennung, so wenig Muskelmasse wie nur möglich zu verlieren. Denn beim Krafttraining entstehen mikrofeine Risse in der Muskulatur, die der Körper möglichst schnell reparieren möchte. In seiner Anpassung an die neuen Belastungsreize geht der Körper sogar einen Schritt weiter. Er repariert nicht nur geschädigte Muskel- und Bindegewebsstrukturen, sondern überkompensiert den Abbau mit neuem Aufbau (Superkompensation). Die Entwicklung von Muskelmasse wird gefördert. Spürbarer Ausdruck dieser Wiederherstellungsprozesse im Muskel ist der vertraute Muskelkater - übrigens wird natürlich auch hierbei wieder Energie benötigt. Darüber hinaus gewinnt der Körper durch den Masseaufbau zusätzliche Brennöfen, die auch im Ruhezustand die Energiebilanz erhöhen.
Du kannst es auf die einfache Formel bringen: Ein Plus an Muskelmasse bedeutet erhöhten Energiebedarf während der Ruhephasen.
Der Mehrwert gegenüber herkömmlichem Kardio oder HIIT liegt also in der Langzeitwirkung begründet. Ein Kilogramm Muskeln benötigen zum Erhalt 12kcal täglich, was bei einem Zuwachs von 5kg Muskelmasse ein Plus von 60 Kalorien ergibt.
Fazit
Während des Ausdauertrainings verbrennst Du im Steady State nach etwa 30 Minuten sehr effektiv Fett. Allerdings gilt das nur für die Dauer der Belastung. Übrigens kannst Du den Effekt nahezu verdoppeln, wenn Du früh am Morgen trainierst, auf nüchternen Magen. Der Körper wird dazu stimuliert, früher die Fettdepots zur Energiegewinnung heranzuziehen.
In einem zweiten Teil meines Blogs werde ich ausführlicher darauf eingehen.
Über eine Zeitspanne von 10 Minuten betrachtet, ist die Energieausbeute beim Intervalltraining (HIIT) nicht zu überbieten. Weiteres Plus - der Körper verbrennt auch im Anschluss noch bis zu 12 Stunden Körperfett.
Auf den ersten Blick betrachtet, fällt die Energiebilanz beim Krafttraining vergleichsweise mager aus. Anders sieht es aus, wenn man die Wiederherstellungsprozesse nach dem Training mit berücksichtigt. Das Bilden neuer Muskelfasern verlangt Energie und auf längere Sicht benötigt der Körper für den Erhalt der neu aufgebauten Muskulatur zusätzliche Kalorien täglich.
Klar ist es egal für welche Option Du Dich letztlich entscheidest - Energie wird in jedem Fall benötigt und verbrannt. Um möglichst effizient Fett zu verbrennen, bietet sich eine Kombination von unterschiedlichen Trainingsanreizen an. Idealerweise verbindest Du dazu Cardio- und Krafttraining und erweiterst den Trainingsplan ab und an um ein knackiges HIIT Workout.
Wirksames Abnehmen bedeutet nicht mehr und nicht weniger als möglichst viel Energie täglich zu verbrauchen - bei gleichzeitig kalorienreduzierter Ernährung. Diese sollte vor allem genügend Nährstoffe enthalten.
Unser Bonus für Dich - ein Trainingsplan:
3 x wöchentliches Training
- 1 x 30 bis 40 Minuten Steady State Cardio (vorzugsweise morgens), zusätzlich 15 Minuten HIIT Workout
- 2 x Krafttraining (Compound Übungen mit wenig Ruhephasen), mindestens 12 Wiederholungen und abschließendem HIIT (10 Minuten)
4 x wöchentliches Training
- 1 x Steady State Cardio (30-40 Minuten, morgens) + 15 Minuten HIIT Workout
- 3 x Krafttraining (Compound) mit mindestens 12 Wiederholungen und abschließendem HIIT (10 Minuten)
5 x wöchentliches Training
- 2 x Steady State Cardio (30-40 Minuten) mit 15-20 Minuten HIIT Workout
- 2 x Krafttraining (Compound Schwerpunkt), mindestens 12 Wiederholungen und zum Abschluss ein 10 Minuten HIIT Training
- 1 x Krafttraining mit 5 Sets zu je 5 Wiederholungen und abschließend 30 Minuten Steady State Cardio
6 x wöchentliches Training
- 2 x Steady State Cardio (30-40 Minuten) + 15-20 Minuten HIIT Workout
- 3 x Krafttraining (Compound), mindestens 12 Wiederholungen, zum Abschluss 10 Minuten HIIT
- 1 x Krafttraining mit 5 Sets zu je 5 Wiederholungen, abschließend 30 Minuten Cardio
Dieser simple Trainingsplan verbindet die Vorzüge unterschiedlicher Trainingsmethoden mit Blick auf den effektiven Abbau von Körperfett.
Der folgende Blog nähert sich dem Spezialthema Cardio (Kardio) von allen Seiten. Mit welchen Herzfrequenzen sollte bevorzugt trainiert werden? Was bedeutet genau Steady State? Warum ist Cardio auf nüchternen Magen so effektiv?
Rick van Oudgaarden
Physiotherapeut, NLP Coach und Personal Trainer.