Alles über das Handgelenk und den richtigen Griff!
Tatsache ist, dass Sport den Körper und die Gelenke belastet. Gleichfalls wissen wir, dass wir den Sport lieben und uns selbst zu verbessern suchen. Zu den stark beanspruchten Gelenken, besonders im Kraftsport, gehört das Handgelenk. Grund genug, einmal näher hinzuschauen. Außerdem kennst auch Du sicher zahlreiche Varianten eine Hantel zu halten. Damit ist das heutige Thema bereits umrissen. Wie ist das Handgelenk aufgebaut? Wie sieht es mit Kraft und Stabilität, bezogen auf das Gelenk, aus? Welche unterschiedlichen Grifftechniken gibt es? Ihre Vor- und Nachteile?
Die Anatomie des Handgelenks
Es handelt sich beim Handgelenk um ein sogenanntes zweiachsiges, ellipsenförmiges Gelenk. Das bedeutet schlicht, dass wir es mit zwei Gelenkeinheiten zu tun haben. Ein paar grundsätzliche anatomische Voraussetzungen sind also vorab kurz zu klären.
Das Handgelenk verbindet die Unterarmknochen mit den Handwurzelknochen. Wir unterscheiden im Unterarm Radius und Ulna (besser bekannt als Speiche und Elle). Sie laufen im Handgelenk zusammen und bilden eine Art Mulde für die Handwurzelknochen. Der besseren Verständlichkeit halber verzichte ich an dieser Stelle auf die präzise Bezeichnung der einzelnen Handwurzelknochen.
Glücklicherweise ist zwischen Elle und Speiche Bewegung möglich, die dafür sorgt, dass wir unsere Hand nach innen und außen drehen können (Pro- und Supination). Eine Membran zwischen Elle und Speiche sorgt für den nötigen Zusammenhalt, diese ist auf dem Bild nicht zu sehen.
Die verschiedenen Teilgelenke machen die vielfältigen Funktionen des Gelenks erst möglich. Unter anderem erlauben sie die Palmarflexion - eine Beugung des Gelenkes in Richtung der Handfläche. In Richtung Handrücken ist eine Streckung möglich (Dorsalflexion). Weniger stark fallen Bewegungsmöglichkeiten Richtung Daumen (Radialabduktion) und Richtung Kleinfinger (Ulnarabduktion) aus.
Wegen der vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten ist das Handgelenk ein ziemlich instabiles Gelenk, dass neben Bändern und Sehnen zur passiven Stabilität auch viel Unterstützung durch die Unterarmmuskulatur benötigt (aktive Stabilität).
Genug für heute mit der Anatomielektion.
Stabilität versus Kraft
Gerade Kraftsport beansprucht die Handgelenke in hohem Maße. In der Theorie spricht nichts dagegen. Erinnern wir uns - bei starker Belastung ist das Nervensystem erheblich gefordert. Es bedarf großer, aktiver Stabilität, um den Druck über das Handgelenk verteilen zu können. Wie erwähnt, sorgen kräftige Bänder und Sehnen für die erforderliche passive Stabilität. Sie sind aber gleichzeitig auch häufig Ursache der in Studios auftretenden Handgelenksbeschwerden. Zu oft werden die Handgelenke zu sehr durchgebogen, etwa beim Bankdrücken. Der Hanteldruck liegt nicht mehr richtig über dem Gelenk, sondern halb auf der Hand - eine Überdehnung ist die Folge und ist Gift für Bänder und Sehnen. Bei häufigem Überstrecken und Überdehnen ist das Handgelenk stark gefährdet.
Eine Folge - Bänder und Sehnen gewöhnen sich an diese Überdehnung! In der Physiotherapie kennen wir den Befund der Hypermobilität. Gemeint ist die Hyperflexibilität von Gelenken mit dem Nachteil der vergrößerten Instabilität. Wenn die passive Stabilität derart beeinträchtigt ist, muss die aktive Stabilität zu viel korrigieren. Um aus dem Training einen maximalen Gewinn herauszuholen und gleichzeitig das Verletzungsrisiko gering zu halten, ist es notwendig, die Hantelgewichte und den Druck allzeit richtig über den Handgelenken abzufangen. Also über die Verlängerung des Unterarms. Übung macht auch hier den Meister. Du wirst merken, dass Du bald auch größere Gewichte stemmen kannst!
Griffarten
In der Praxis gibt es eine ganze Anzahl von verschiedenen Griffen, die Anwendung finden. Alle haben eigenen Vor- und Nachteile. Es folgt eine knappe Übersicht der meist gebrauchten!
Obergriff (standard oder prone grip)
Dieser Griff findet gegenwärtig die häufigste Verwendung in Fitnessstudios. Die Beliebtheit verdankt er vor allem einer Eigenschaft - er ist sicher. Wesentliches Merkmal ist der unter der Hantelstange durchgebogene Daumen. Daraus resultiert viel Aktivität aus den Unterarmen bei gleichzeitig maximaler Kontrolle während des Bewegungsablaufs. Gerade Anfänger sollten darauf achten, die Handgelenke richtig einzusetzen, um den Druck abzufangen.
Bei schweren Übungen wie Benchpress, Incline Benchpress und Overhead Press und auch beim Einsatz größerer Gewichte ist der Obergriff erste Wahl.
Affengriff
Der Griff ähnelt dem Obergriff. Der wesentliche Unterschied - die Langhantel wird nicht mit dem Daumen umgriffen. Meist verwenden nur erfahrene Athleten diesen Griff. Sie haben Routine darin, den Druck auf den Handgelenken zu halten. Der Griff erlaubt eine höhere Flexibilität der Ellenbogen. Diese können weiter nach vorne gebogen werden. Gerade bei Benchpress- und Incline Benchpress-Übungen sorgt das für eine gesteigerte Aktivität der Brustmuskulatur. Seine englische Bezeichnung verdankt er seinem großen Nachteil. Da die Stange lediglich zwischen Handflächen und Fingern ruht, besteht ein hohes Risiko. Denn die Hantel kann sehr leicht abrutschen! Gerade als Anfänger ist der Griff nur angeraten, wenn ein Gewicht aufliegt, das man sicher "im Griff" hat.
Untergriff (supine grip)
Wie der Name bereits sagt, bildet dieser ebenfalls häufig verwendete Griff das Pendant zum Obergriff. Die Hände greifen unter der Stange durch, der Daumen liegt obenauf. Die Handfläche weist nach vorne, daher die Bezeichnung "supine" (lat. supinitas = zurückgebogene Stellung). Auch dieser Griff erfordert den richtigen Handgelenkeinsatz. Verbreiteten Einsatz findet er bei Bizeps Curls oder beim Bend-over Barbell Row. Diese Grifftechnik setzt vor allem effektiv den Bizeps ein.
Doppelter Obergriff (thumbless grip)
Korrektes Pull Training funktioniert nur mit diesem Griff (Bend over Barbell Row, Deadlift , Shrugs). Die Hände werden auf Höhe der Fingergelenke in gleicher Position auf die Hantel gelegt, ebenso die Daumen. Auf den Fingerspitzen lastet einiger Druck und die Muskeln der Unterarme haben einiges zu leisten. Nachteilig auch hier, dass im Falle eines zu schweren Gewichts die Hantel aus den Händen gleiten kann.
Im Unterschied zum ansonsten identischen Obergriff wird der Daumen an der Rückseite der Stange positioniert, eng an die Finger gelegt. Dieser kontrollierende, zusätzliche Finger hilft dabei, die Kraft richtig einzusetzen und weniger Kraft aus den Unterarmen zu ziehen. Es bleibt Dir mehr Energie für die jeweilige Übung. Unschön sind nur die Venen auf dem Unterarm, oder?
Gemischter Griff (alternate grip)
Diese Griffweise ist wahrlich nicht unumstritten. Wie der Name schon andeutet, ist dieser Griff eine Mischung aus Ober- und Untergriff. Eine Hand nimmt z.B. die Hantelstange im Ober- die andere im Untergriff.
Dieser Griff kommt etwa bei sehr schweren Lifts zum Einsatz, weil die Hände wie eine Klammer wirken, zudem wird der Stand gefestigt. Er birgt das geringste Risiko, was das Entgleiten der Hantelstange angeht und er erlaubt den Einsatz großer Gewichte. Der Nachteil liegt buchstäblich auf der Hand. Die unterschiedliche Körperbelastung auf beiden Seiten führt bei unsauberer Ausführung möglicherweise zu Rückenbeschwerden. Diese Griffweise ist ausschließlich erfahrenen Deadliftern vorbehalten. Solltest Du ihn dennoch ausprobieren wollen, empfehle ich, die Hände immer wieder abzuwechseln (jeweils nach 1/2 Set). Du willst als End-Zwanziger ja nicht wie Quasimodo durch die Welt laufen.
Hakengriff (hook grip)
Dieser Griff ist das Nonplusultra, wenn es um das Heben schwerer Gewichte geht. Zunächst werden die Daumen wie beim Obergriff an der Stange platziert, bevor die Finger sie übergreifen. Der Daumen wird folglich zwischen Langhantel und Zeige-, Mittelfinger eingeklemmt. In Studios wird nur selten davon Gebrauch gemacht. Die simple Begründung - der Griff gilt als peinlich. Als praktisch erweist er sich ohne Zweifel, wenn es darum geht etwas wirklich festzuhalten. Kein Wunder, dass er bei Wettkämpfen der Gewichtheber häufig angewandt wird. Als Anfänger darfst Du ihn ruhig weglassen, es sei denn, Du benötigst Deine Finger in den nächsten Tagen nicht mehr.
Fazit
Fassen wir die Ergebnisse kurz zusammen.
Das Handgelenk gehört zu den Gelenken, die am meisten beim Krafttraining beansprucht werden. Entsprechend solltest Du auf die richtige Ausrichtung der Gelenke bei Deinen Übungen besonders achten. Das genutzte Gewicht sollte immer in korrekter Weise auf die Handgelenke einwirken.
Wir kennen zahlreichen Arten von Lifts, ähnlich viele Griffarten lassen sich finden. Die Wahl des Griffs hängt entscheidend davon ab, ob Du bereits Erfahrung speziell beim Liften hast, welches Ziel Du erreichen möchtest und vor allem wie viel Erfahrung Du ganz allgemein bereits beim Training gemacht hast. Letztere ist die wahre Lehrmeisterin!
Also, probier unterschiedliche Griffvarianten aus und wähle die oder den für Dich passende(n).
Eines allerdings ist dringend geraten - wenn Du neue Griffe ausprobierst, dann immer auf sichere und gefahrlose Art und Weise, evtl. mit einem Trainingspartner oder einem Trainer, der die richtige Haltung überwachen und Fehler direkt korrigieren kann.
Sicherheit geht vor!
"Gemeinsam das Beste erreichen"
Rick van Oudgaarden
Physiotherapeut und Personal Trainer